Gelobtes Land? Wähle Worte Weise!

„Toll gemacht!“

Ein Applaus vor versammelter Mannschaft und diese gut gemeinten zwei Worte vom Chef. Ich glaube es hackt.

Die letzten 6 Monate hatte ich neben der Kernarbeit noch eine Tagung geplant, Räume und Verpflegung organisiert, Sponsorengelder eingetrieben, und viel mehr. Wenn doch wenigstens gewürdigt worden wäre, wieviel Zeit und Energie das bedeutet hat, und wie zur Hölle ich es bitte geschafft habe, den Chef von TollerKonzern AG als Keynote Speaker zu akquirieren.

Stattdessen gefühlt nur ein Sternchen im Stempelheft.

Dieses Erlebnis ist alltäglich: Aus verschiedenen Gründen überschütten wir unsere Kinder mit leichtfertigem Lob.

Anliegen gibt es verschiedene, und alle sind wertvoll:

Wir wollen unseren Kindern vermitteln, was wünschenswert ist (bei den Pawlowschen Hunden war es z.B. wünschenswert zu sabbern).

Wir wollen sie darin bestärken, gute Leistungen zu erzielen oder ihre Fähigkeiten auszubauen.

Wir wollen ihnen ein gesundes Selbstwertgefühl vermitteln.

Dass es einen Sinn hat, nicht mit einer einzigen Lösung auf Ziele einzuschießen, habe ich an anderer Stelle erwähnt. Und der Akt der Bewertung auf der Skala von „toll“ bis „das üben wir aber noch mal“ (aka „Kacke“) ist nur eine potenzielle Lösung für unsere Anliegen.

Eine wirklich essenzielle Frage bei der Beurteilung verschiedener Lösungsmöglichkeiten ist nämlich, egal ob privat oder beruflich: Löst das überhaupt wirklich das Problem?

Oder zielt es in die richtige Richtung und verfehlt dann die Marke?

Wir zielen beispielsweise auf Motivation.

Die Forschungslage zeigt aber eindrücklich, dass immer dort, wo Ergebnisse und Eigenschaften gelobt werden, die Leistungsbereitschaft und auch die Leistung selbst im Anschluss nachlässt! Da spendiere ich sogar ein Ausrufezeichen.

„Bist du intelligent!“ führt dazu, dass im Vergleich zu ungelobten Kindern nur noch leichtere Aufgaben gewählt werden.

„Bist du großzügig!“ führt zu weniger geteilten Bonbons – wieder im Vergleich zu ungelobten Kindern.

Eine Ursache ist, dass mit extrinsischer Motivation (Zuckerbrot, Lob, Noten, Gehalt) die intrinsische Motivation („geil, was ist das, ich will das wissen/probieren“) quasi aufgefressen wird. Das ist oft die traurige Antwort darauf, warum aus den größten Matschwühlern, Erfinderinnen und Marienkäfer-Erforschern später wird: „Schule? Kein Bock.“

Der amerikanische Autor Alfie Kohn fragt in seinem Bestseller eindrücklich: „wollen wir, dass unsere Kinder die Buchseiten umblättern, weil sie aufrichtig wissen wollen, was als nächstes passiert, oder weil sie zum Schluss einen Test bestehen müssen?“.

Mildern lässt sich der Leistungseinbruch, wenn man statt der reinen Ergebnisse lieber den Weg und die Bemühung in den Vordergrund stellt.

Aus „bist du clever“ wird „Hut ab, wie sehr du dich konzentriert hast“.

Aus „bist du großzügig“ wird „toll, dass du dich bemüht hast, die Bonbons genau abzuzählen“.

In der Forschung schneidet dieses Loben von Bestrebungen auch im Resultat wesentlich besser ab als das Loben von statisch wirkenden Eigenschaften (intelligent, schön, schnell) oder Ergebnissen (richtig, gewonnen, toll gemacht).

Wir zielen auf ein gesundes Selbstwertgefühl.

Verwechselungsgefahr gibt es mit dem Selbstbewusstsein, das eher besagt, wie viel man seinen Fähigkeiten vertraut.

Was das Selbst-wert-Gefühl ist, steckt im Wort: „Ich bin wertvoll. Ich mache Fehler, aber ich bin okay – und ich gehe so oder so gut mit mir um“.

Wie schön wäre es, wenn ich das könnte. Wenn wenigstens meine Kinder sich später so fühlen dürfen. Es ist ein so wichtiger, so schöner Wunsch für die spätere mentale Gesundheit unserer Kleinen.

Genau hier verbirgt sich ein gemeiner Fallstrick.

Indem wir unsere positive Rückmeldung in Werturteilen ausdrücken, empfinden die Kleinen nämlich nicht mehr Selbst-Wert, sondern Fremd-Wert, und das Gefallen-wollen macht süchtiger als Haribo.

Was ist mit Werturteil gemeint?

Alles, was genauso gut ergänzt werden könnte durch „ich finde es“.

(Ich finde es) gut, dass du der alten Dame geholfen hast.

(Ich finde es) toll, dass du die Bonbons so genau abgezählt hast.

(Ich finde es) richtig, dass du so viel lernst.

Oder ein Urteil über Eigenschaften wie z.B. Schönheit.

Sollen wir das also ganz bleiben lassen? Uns neutral stellen, obwohl wir aufrichtig begeistert sind?

Nein!

Wir zielen auch auf das klassische Erziehungsziel, das Verhalten der Kinder zu formen.

Es geht eben nicht darum, die Kinder im Wildwuchs vor sich hin entwickeln zu lassen, auch wenn das Missverständnis naheliegt. Auch gegen agiles Management wird häufig behauptet, das wäre pure Anarchie.

Nein, natürlich soll ein nachhaltig sinnvoller Umgang miteinander gepflegt werden.

Also geben wir Rückmeldung. Und zwar wirklich nur das: Rückmeldung, nicht positiv oder negativ, einfach wertungsfrei.

So bleiben wir bei unseren Zielen, und treffen diesmal die Marke.

Auf der Arbeit heißt das Ganze Feedback und wird auch als Führungsaufgabe verstanden, egal ob in hierarchischer Führung oder bei der Führung unter KollegInnen.

Und die goldene Formel heißt W-W-W:

Wahrnehmung: „du hast der alten Dame geholfen“. Ich sehe dich.

Wirkung: „dadurch konnte sie sicherer die Treppe hochlaufen.“ Du bist wirksam.

Wunsch: Kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn es um ein zu korrigierendes Verhalten geht.

Als Wertschätzung wird schon die reine Wahrnehmung viel Gutes bewirken.

Und durch das Kommunizieren der Wirkung wird Empathie geübt und der eigene Handlungsspielraum verstanden.

Es kann sich anfangs ungewohnt anfühlen, aber die Übung lohnt sich – definitiv auch mit Erwachsenen, sonst würde es nicht in jedem Führungsseminar gelehrt werden.

Bei aller Erzieheritis:

Alles, was direkt aus dem Mund geschossen kommt, fällt unter aufrichtige Bewunderung.

Und wie traurig wäre das Leben ohne das!

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