Dass Prinzipien etwas Feines sind, wenn man sich aus dem Regelwald befreien will, habe ich an anderer Stelle beschrieben.
Ausformulierten Familienprinzipien bei uns zuhause sind beispielsweise:
„Meine Gefühle sind richtig und wichtig, deine Gefühle sind richtig und wichtig“,
„Beziehung statt Erziehung“,
„Wir achten selbst und gegenseitig auf unsere Körpersignale“.
Was moderne Arbeitsprozesse angeht, sieht es nicht anders aus.
Anstatt „Herr A entscheidet über Thema B und für Thema C brauchen wir Unterschriften von Frau D“
Befolgen wir z.B. das Prinzip
„Entscheidungen passieren dort, wo die Kompetenz dafür da ist“.
Unzählige weitere unausgesprochene Prinzipien helfen und behindern uns zugleich, den Alltag flüssig zu bestreiten.
Diese mit Offenheit aufzudecken, ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Teamübungen, um in echtem Kontakt zu bleiben, wenn tagtäglich unterbewusst unsere inneren Eltern oder inneren Kinder und wahlweise unsere echten KollegInnen oder echten Kinder an uns zerren.
Manchmal schleicht sich aber ein Teufel ein: Der Prinzipienreiter.
Wenn wir auf Nachfrage nur zu antworten wissen, dass etwas „aus Prinzip“ sein muss, sind wir wieder bei starren Regeln angekommen. Dann „muss jemand da durch“, im Schlepptau oft wir selbst.
Wie immer gilt, solange alles funktioniert, ist es OK. Das Ordnungsamt hätte ja auch weniger zu tun, wenn niemand falsch parken würde.
Sobald es aber Reibereien gibt, enttarnt man solche aus-Prinzipien recht schnell, in dem man sie mit unerbittlichen „auch wenn“-Nebensätzen vervollständigen kann:
„Papa und Mama wechseln sich täglich mit dem Einschlafbegleiten ab“ – auch wenn du zurzeit Sehnsucht nach Mama hast, weil sie sich oft ums Baby kümmert.
„Frau D unterschreibt für Thema C“ – auch wenn sie noch 5 Wochen im Urlaub ist und du auch Ahnung hast.
„Ab deinem ersten Geburtstag wirst du abgestillt“ – auch wenn du gerade eine Erkältung hast oder zahnst.
Bitte nicht falsch verstehen: Nichts ist dagegen einzuwenden, wenn es gewichtige Gründe gibt.
Mama kümmert sich vielleicht ums Baby, weil es frühgeboren ist und viel Hautkontakt an Mamas Brust braucht.
Frau D ist vielleicht haftpflichtversichert für Thema C und du nicht.
Mama muss vielleicht ab deinem Geburtstag eine Therapie beginnen, die nicht mit dem Stillen verträglich ist.
Dann ist es wirklich wert, um jeden Preis die Umsetzung zu gewährleisten und „da durch zu müssen“, also eine Regel daraus zu machen, mit Kontrolle und allem drum und dran.
Die Frage bleibt also: Wieviel ist uns die Einhaltung wert?
Der Gegenwert sollte mehr sein als die Mühe, die wir da reinstecken.
Gilt übrigens auch für Knöllchenkontrollen 😉