In den Führungskräfteseminaren ist er in aller Munde: der Growth Mindset.
Alle wollen ihn haben. Alle wollen, dass andere ihn haben. Das ist der „neue“ Shit.
Vereinfacht gesprochen geht es darum: Will man die Person sein, die…
- …1. vor Neuem zurückschreckt oder 2. dieses mit Neugier anpackt?
- …1. Kritik als Angriff sieht oder 2. als Wachstumschance?
- …1. unter allen Umständen an starren Prinzipien festhält, oder 2. sich je nach Situation anpasst?
- …1. Wissen wichtiger findet oder 2. Denken?
- …Mentalität 1 (Fixed Mindset) hat oder Mentalität 2 (Growth Mindset)?
Dass eine dieser zwei beschriebenen Mentalitäten weder bei Dates noch bei der Arbeit toll abschneidet, dürfte einleuchten. Ich selbst würde so gern die immer zweitgenannte Person sein, und schaffe es auch in seltenen Momenten, diese zu verkörpern, bin aber de facto allerhöchstens irgendwo dazwischen.
Wenn alles gut läuft, merkt man von beiden Mindsets nicht unbedingt etwas. Es läuft eben.
Jetzt mache ich aber mal einen Fehler. Meine Hände schwitzen und mein Herz rutscht in die Hose. Das schreit nach Kritik. Die Alarmglocken gehen an.
„Ich bin zu doof dafür, das lasse ich lieber künftig bleiben. Der Patzer muss gut kaschiert werden, sonst steh ich blöd da oder werde bestraft“, denkt mein Hirn.
Und wo habe ich das gelernt?
Im Prinzip überall!
Zuhause, wo Strafen für Regelverstöße nicht ausblieben und ich das Vertuschen perfektioniert habe. Wo niemals die Intention etwas bedeutet hat, sondern ausschließlich das Ergebnis.
In der Schule, wo nur die Leistung und die Note bestimmt hat, wie ernst man von den „Obrigkeiten“ genommen wurde. Und im Zweifelsfalle nachbelohnt oder nachgetreten wurde mit dem Lob für die 1 (bereits ein Zuckerbrot) und dem Tadel für die 4 (bereits eine Peitsche).
Im Sportverein, wo Errungenschaften in Punkten gemessen wurden und es Siegerpodeste mit klaren Stufen gab.
In Musikwettbewerben, wo etwas so intimes und emotionales wie der künstlerische Ausdruck mit 1.-3. Preisen bedacht wurde.
Die Liste ist lang.
Das Perfide daran: Äußere Motivation, sowohl Gutes zu tun als auch Schlechtes zu vermeiden, untergräbt unseren tief verwurzelten Wunsch, aus freien Stücken zu handeln. Und wir brauchen im Laufe der Zeit immer mehr davon.
Um Eines klarzustellen: gute Leistung, hervorragende Qualität, fehlerfreie Arbeit und Präzision sind und bleiben wünschenswert.
Aber machen wir uns nichts vor: Sofern in unseren privaten und beruflichen Systemen nur diese „Ergebniswerte“ zählen, brauchen wir uns nicht wundern, wenn bei den Menschen darin der Growth Mindset fehlt. Wir haben ihn sozusagen kollektiv platt gemacht.
Wenn wir unseren Kindern wünschen, mit dieser nicht nur begehrten, sondern auch auf lange Sicht glücklich machenden Mentalität später das (Berufs-)Leben zu bestreiten, müssen wir umdenken.
Würdigen wir das Bemühen, egal, ob die objektive Skala „hervorragend“ oder „ausreichend“ sagt;
die Verbesserung, egal, ob sie klein oder groß ist;
die Intention, Gutes zu tun, die vielleicht diesmal nicht zum erwünschten Ergebnis geführt hat.
Und fangen wir bei uns selbst damit an, wenn wir auf dem Weg zum eigenen Growth Mindset vorwärts kommen, oder eben auch stolpern.
Wie schön wäre es, wenn wünschenswerte Erfolge aus Freude entstehen?